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Sportverrückt, Querdenker, erfolgreich, kritisch, manchmal
belächelt, in jedem Fall einer der einflussreichsten und enga-
giertesten Kämpfer für Beachvolleyball: Selbst mit all diesen
Facetten ist Michael Tank noch nicht hinreichend beschrie-
ben. Seit 25 Jahren ist er als Arzt für die Nationalteams im
Sand zuständig.
Eine Medaille wurde dem Hamburger dafür zwar nie umge-
hängt, und doch sucht die Sammlung der Erfolge, bei denen
er dabei war und die er beeinflusst hat, ihresgleichen. „Ich
bin an 13 Europameister-, zwei Weltmeistertiteln plus zwei
Olympiasiegen beteiligt”, sagt er. Es gibt Fachleute, die
glaubhaft versichern: „Ohne ihn wäre Deutschland nicht
zwei Mal Olympiasieger geworden.” Dass in erster Linie die
Athleten und ihre Trainer gefeiert werden, kann der 57-
Jährige locker verkraften. Was zählt, „sind die Erfahrungen
und die Erlebnisse, die man sich für kein Geld kaufen kann”.
unglaubliche Untersuchungstechnik ermöglicht es, Ursachen
von Beschwerden zu finden und zu behandeln, die von der
klassischen Schulmedizin oft nicht erklärt und nur sympto-
matisch therapiert werden.”
Tank begann, seinen eigenen Weg zu gehen, der Querdenker
provozierte damit Kollegenspott. Doch die Athleten schwören
auf ihn, weil seine Diagnostik und Behandlung zu schneller
Genesung führen. „Auch deshalb bin ich Teil der Olympia-
mannschaft geworden und nicht, weil es bei Olympia mehr
Fußpilz gibt”, sagt Tank, der auch Hautarzt und Allergologe
ist. Als Regionalligaspieler in Hamburg nahm Tank an einem
Beachturnier in Eckernförde teil und war gleich als Ersthelfer
gefordert, weil sich eine Spielerin beim Sturz in eine Glas-
scherbe an der Patellasehne verletzte. „Ich war der einzige
Arzt und hatte nur einen Autoverbandskasten dabei.”
Danach nahm er stets seinen Arztkoffer mit und stand
bald vor der Wahl: „Entweder die Guten behandeln oder mit
den Schlechten spielen.” Die Entscheidung fiel leicht, und so
bekamen Tourdirektor Frank Mackerodt und DVV-General-
sekretär Lutz Endlich einen Fachmann, der aufgrund seiner
Expertise und seines Auftretens schnell zu einer Schlüssel-
figur der Szene wurde. Tank startete eine Karriere, zu der es
als Spieler nie gereicht hätte: „Ich war zu schlecht und zu alt,
auf einem Masters habe ich nie ein Spiel gewonnen.”
Tank hat seit 1992 die Entwicklung des Beachvolleyballs mit-
gestaltet und sich dabei nicht nur als Mediziner konstruktiv,
kritisch und meinungsstark eingebracht. Um diesen Mann
ranken sich jede Menge Geschichten. Tank führte Salzstan-
gen ein, weil Spieler mit Krämpfen zu kämpfen hatten, er
sorgte für Infusionen und Eis. Zum Beispiel bei der EM 2003
in Antalya, als es bei brutaler Hitze ein rein deutsches Frau-
enfinale gab. Zudem erreichten Dieckmann/Reckermann dort
das Männerfinale gegen die Österreicher Berger/Doppler.
Damals in Antalya fuhr Tank mit Jana Vollmer ins Kranken-
haus, um sie wegen eines Abszesses am Oberschenkel eigen-
händig zu operieren. Nach dem Motto: Selbst ist der Mann.
Für Tank ist die Episode „bezeichnend für die unkomplizierte
Art, die damals herrschte”. Die Zeiten haben sich geändert,
der Spielraum hat sich verkleinert, nicht jede Entwicklung ist
gut. Mit einem Seitenhieb auf den Verband sagt Michael Tank:
„Früher wurden auf den Turnieren mehr Spiele mit weniger
Personal abgewickelt, da reichten zwei Mitarbeiter des Orga-
teams. Heute sitzen bei weniger Spielen mehr Funktionäre im
Spielerbereich, trotz Computer und moderner Technik.”
Zudem konnte Tank seine Einsatzzeiten besser planen: „Man
flog zu einer WM, spätestens am Freitagmittag waren alle
deutschen Teams ausgeschieden, und ich hatte bis zum
Rückflug am Sonntag frei.” Das änderte sich mit der WM
2005 in Berlin, als mit Brink/Schneider und Polte/Schoen
gleich zwei deutsche Teams im Halbfinale standen. Auch der
Mannschaftsarzt profitiert von Duos wie Brink/Reckermann,
Ludwig/Walkenhorst und Borger/Büthe, die Medaillen holen.
„Besonders berührend sind Erfolge, die man nicht erwartet,
und alle haben dafür hart gearbeitet.” So wie London 2012,
Olympiagold für Brink/Reckermann: „Vor dem Finale hatte
Jonas Fieber, seine schwangere Frau lag in einer Klinik, mir
wurde mein Arztkoffer geklaut und wir Mediziner hatten alle
Hände voll zu tun.” Nach dem Sieg gegen Emanuel/Alison,
das Überteam aus Brasilien, erinnert sich Tank, „hatten wir
alle Pipi in den Augen”.
Ähnlich war es in diesem Sommer bei der WM in Wien, als
Tank morgens einen Anruf von Physiotherapeut Jochen
Dirksmeyer erhielt: „Kira kriegt ihren Arm nicht über die
Waagerechte hinaus.” Da wurde es brenzlig, nachmittags
musste Kira Walkenhorst nämlich ran. Das Ende ist bekannt:
Ludwig/Walkenhorst trotzten allen Widrigkeiten und holten
den Titel. Ihr Arzt sagt rückblickend: „Mehr geht nicht.”
Die Zusammenarbeit mit Dirksmeyer ist ein Baustein für die
deutschen Erfolge. Dabei bekam der Paderborner vom Ham-
burger Tank zunächst eine Absage erteilt: „Physiotherapie
brauche ich nicht, das kann ich selbst”, 䉴
Michael Tank feiert ein Jubiläum, auf das im Beachvolleyball nicht viele
zurückblicken können: Seit 25 Jahren ist der Mediziner aus Hamburg als Arzt
dabei, der sich mit großem Engagement und Know-how um die Athleten
kümmert. Der 57-Jährige ist ein kauziger Querdenker, der viel zu berichten hat
Jonas Reckermann:
„Ohne das fachliche Know-how
und die Opferbereitschaft von
Michi hätte ich bei so einigen
Turnieren nicht spielen können.
Er ist auch nachts um drei noch
ansprechbar. Allerdings war es für mich zu Beginn
gewöhnungsbedürftig, wenn du Schmerzen am Fuß
hast und der Doc sagt dann zu dir, ,zieh mal dein
T-Shirt aus’. Letztlich hat mich Michael mit seinen
Behandlungsmethoden immer wieder aufs Positivste
überrascht. In der Kombination mit Jochen Dirksmeyer,
Renate Peters und Ekkehard Schurig ist das ein einzig-
artiges Team gewesen.”
Olympiateilnehmer 2004: Jürgen Wagner, Jochen Dirksmeyer,
Bernd Schlesinger, Michael Tank und Bernd Werscheck
Ungewöhnlicher Typ, ungewöhnliche Methoden:
Michael Tank leistet neben dem Court erste Hilfe bei Eric Koreng
Mehr geht nicht
„Michi”, wie ihn die Athleten nennen, oder auch „Tank
Deutschland”, wie er sich selbst bezeichnet, ging in Osna-
brück zur Schule, studierte bei der Bundeswehr in Marburg
und ab 1988 in Hamburg, wo er eine Ausbildung zum Sport-
mediziner absolvierte und eine Sportfördergruppe betreute.
Mit 38 kam er nach einem Bandscheibenvorfall mit Kinesio-
logie in Berührung. Diese Methode faszinierte ihn: „Diese
Kira Walkenhorst:
„Unser ,Tank Deutschland’. Es gibt eine super Kooperation zwischen den Physiothera-
peuten und ihm. Nach einem Turnier in Moskau bat ich Michael um Hilfe, er hat mich
dann Samstag, Sonntag und Montag behandelt und getestet, woran es liegt. Er ist einer,
der alles reinsteckt, um uns mit seinen Fachkenntnissen zu unterstützen.”
fotos: privat (2), fivb (2)